Hagen, Winfield, Lyranisches Commenwealth
Büro von Colonel Edward Nichols,
Kommandeur der 30. Lyranischen Garde
8. September 3029 11.30 Uhr TNZ
Colonel, das schaffen wir nicht alleine! Mein Bataillon ist nicht auf
Sollstärke und wir mußten gerade erst mit Draco-S�ldnern den Boden aufwischen" wandte
Hauptmann Raschke ein. Kommandanthauptmann Burger und "Sting" Remmler taten bewußt so, als
wäre vor dem Fenster etwas äußerst Interessantes zu beobachten.
"Hauptmann, wenn ich ihnen irgendwie Unterstützung organisieren k�nnte, würde
ich es ja tun, aber das Oberkommando ist der Ansicht, daß ein Bataillon genügt, um
Winfield zu halten. Wenn man den Rest der 30. für die neue Angriffswelle braucht, kann
ich ihnen nicht einmal einen bei den Special Forces ausgebildeten Koch hierlassen."
"Und wenn uns erst mal die raselhaager S�ldner im Dutzend auf die K�pfe regnen, was soll ich
dann machen?!" schnappte Hauptmann Raschke zurück. "Das Oberkommando weiß ganz genau, daß die Raselhaager mit ihren Einheiten an der Grenze Versteck spielen. "
Der Colonel wollte gerade trotz des Protestes den Einsatzbefehl mit seiner Unterschrift
bestätigen, als die Tür aufgerissen wurde und Kommodore Lisa Gechter, die Kommandantin
der Luft/Raumstreitkräfte der 30. Garde, mit Nichols� Adjutanten ins Büro gestürmt kam.
"Was soll der Blödsinn?" knurrte sie und knallte einen Aktenordner auf den Schreibtisch des Colonels: "Sehe ich so aus, als könnte ich hexen? Die �Brick Wall� ist uns erst vor zwei Wochen zugeteilt worden, und ich soll den Eimer mitnehmen? Mein dienstältester Kapitän kann sich dunkel daran erinnern, einmal eine Fortress in real gesehen zu haben, und ich soll eine Crew für sie in 2 Wochen ausbilden? Keine Chance. Und die Reaktordaten, die uns das NAIS geschickt hat, sind für den Müll, weil die Werft eine andere Reaktorkonfiguration eingebaut hat. Unter 2 Monaten hebt das Landungsschiff nicht ab!"
Nichols sah seinen Adjutanten mit hochgezogenen Augenbrauen an. Der nickte. "Stimmt, eben kam der Befehl über HPG, daß das komplette Luft/Raum-Kontingent am Angriff teilnehmen soll. Sie haben speziell die Fortress in dem Angriffsbefehl erwähnt."
"Also haben wir nicht einmal irgendwelche Luft/Raum-Kapazitäten, falls hier doch jemand zu Besuch kommt. Der Befehl lautet daher Halten oder Fallen" kommentierte Hauptmann Raschke.
"Jetzt kommen sie doch mal von ihrer Litanei runter! Erstens kommt hier keine raselhaager Einheit vorbei, zweitens würde ihr Bataillon mit allem fertigwerden, was die Raselhaager schicken, und drittens bleibt die �Brick Wall� hier" beendete Nichols die Diskussion. "Das mit der Fortress regle ich mit dem Oberkommando, Kommodore." Gechter atmete hörbar auf. "Sie lassen ihre Crew hier, damit sie sich einarbeiten kann und dabei das Leck in der Reaktorabschirmung, welches leider den Start unmöglich gemacht hat, reparieren kann." Jetzt grinste die grauhaarige Kommodorin. Hauptmann Raschke schien immer noch nicht zufrieden zu sein, enthielt sich aber eines Kommentars. Eigentlich war es ganz gut, daß das 2. Bataillon einmal eine Pause bekam, da es in den letzten 12 Monaten sieben Missionen durchgeführt hatte. Er konnte aber nur hoffen, daß diese Angriffswelle der LCAF gut lief, da von den letzten zehn Einsätzen alleine zwei durchgeführt worden waren, um das 1. Bataillon aus der Klemme zu hauen. Wahrscheinlich sah er das alles zu schwarz.
Festung Asgard, Tharkad
Besprechungssaal des Kommandeurs des Wyatt Theater,
Herzog Karl Winters
circa drei Wochen später
Ich stehe voll und ganz hinter den Aktionen meines 2. Bataillons" stellte Colonel Nichols fest. "Die Entscheidungen von Hauptmann Raschke waren überlegt und begründet. In den letzten 5 Wochen haben wir das HQ mindestens dreimal auf die drohende Gefahr einer Invasion durch raselhaager Truppen aufmerksam gemacht. Jedesmal wurden diese Warnungen als Hirngespinste abgetan. Am Verlust von Winfield an die FRR trifft die 30. Lyranische Garde keine Schuld. Wie sie den Auswertungen der Schlacht-ROM�s entnehmen können, wurde Rahne von mindestens 5 Kompanien Mechs und einer erheblichen Anzahl Infantrieeinheiten überfallen. Es blieb Hauptmann Raschke nichts anderes übrig, als seine Einheit in Kompanien aufzuspalten, um die Bevölkerungszentren zu schützen. Daß die Einheit als solche sich überhaupt nahezu intakt zurückziehen konnte, verdanken wir dem umsichtigen und aufopferungsvollen Verhalten der Offiziere und Mannschaften des 2. Bataillons."
Eine Weile herrschte Schweigen im Saal. Es wurde in Unterlagen geblättert, auf Laptops getippt oder aufmerksam in Akten gelesen. Schließlich ergriff der Vorsitzende der Kommission das Wort.
"Dies mag ja alles zutreffen, doch halte ich die letzte Schlacht, in der ein Ostroc und ein Whitworth zerstört wurden, für eine überflüssige Materialvergeudung. Der Planet war verloren, die Schlacht vorbei. Wozu noch solch eine Konfrontation?"
Colonel Nichols hatte Mühe, nicht laut loszubrüllen:
"Herr Vorsitzender, wissen sie eigentlich, wo die Schlacht stattfand?"
Der Vorsitzende schüttelte den Kopf.
"Der Ort der letzten Konfrontation befand sich exakt zwei Klicks vom Raumhafen entfernt. Dort
liefen gerade die letzten Vorbereitungen zum Start von einem von sechs, ich wiederhole: SECHS
Landungsschiffen der Fortress-Klasse, die unter strengster Geheimhaltung in den letzten Jahren
für die LCAF gebaut worden waren. Die restlichen Schiffe dieser Klasse kann man nicht als
kampffähig bezeichnen mit einer Ausfallquote von 72%.
Leutnant Lesemann und Leutnant Priegnitz vorzuwerfen, sie hätten ihre Maschinen
verschleudert, als sie sich in den Kampf mit einer schweren Sturmkompanie stürzten, um
dem Landungsschiff Zeit zum Start zu geben, ist eine der schwersten Beschuldigungen, die ich
mir vorstellen kann!"
Einer der Beisitzer ergriff das Wort.
"Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß das 2. Bataillon der 30. Lyranischen
Garde im Kampf gegen eine minderwertige Söldnereinheit äußerst schwach
abgeschnitten hat."
Jetzt verlor der Colonel seine Selbstbeherrschung. Mit hochrotem Kopf sprang er so, daß
sein Stuhl krachend aufs Parkett fiel, auf:
"STEPHAN, SCHIEB DIE VERDAMMTE DISC IN DEN HOLOPLAYER!" brüllte er seinen Adjutanten an.
Als die ersten Bilder aus den Schlacht-ROM�s zu sehen waren, atmete er tief durch.
"Entschuldigen sie meinen Ausbruch, aber sehen sie sich die Mechs der Invasoren genau an.
Achten sie besonders auf die beiden Catapults und den Warhammer. Sehen sie die Farbschemata
auf den Schultern? Und nun möchte ich, daß sie sich diese Aufzeichnungen eines
Gefechtes der 30. Lyranischen Garde ansehen." Lt.-Colonel von Rothen wechselte die Discs
aus. "Sehen sie die beiden Catapults und den Warhammer? Es sind offensichtlich dieselben
Maschinen. Diese Aufzeichnung ist zwei Jahre alt. Sie wurde während des Damion-Feldzuges
gemacht und zeigt ein Scharmützel mit den 24. Dieron Regulars - also ist eine ehemalige
Kurita-Eliteeinheit für den �berfall verantwortlich."
Nichols bekam wieder einen roten Kopf.
"WARUM, ZUM TEUFEL, HAT LOKI UNS NICHT DAVON IN KENNTNIS GESETZT, DASS DIE FRR S�LDNER SOLCHER
G�TE UNTER VERTRAG HAT??? SIE LASSEN MEINE EINHEITEN VON KURITA-ELITEREGIMENTERN DURCH DEN
FLEISCHWOLF DREHEN UND BESITZEN DIE FRECHHEIT, MEINEN M�NNERN MATERIALVERSCHWENDUNG UND
UNF�HIGKEIT VORZUWERFEN!?
Gegen eine Einheit solchen Kalibers überhaupt das Landungsschiff verteidigt und bei
zahlenmäßiger �berlegenheit des Gegners mit weniger als 10 % Verlusten davongekommen
zu sein, nenne ich einen brillanten Kampf von einer Einheit, die vor weniger als 18 Monaten
völlig umgekrempelt wurde. Die 30. Lyranische Garde hat Winfield nicht verloren. Wenn überhaupt jemand diesen Planeten verloren hat, dann das Oberkommando und Loki. Nehmen sie meine Beschwerde über diese Farce bitte zur Kenntnis. Guten Tag, meine Herren!"
Nichols nahm seine Aktentasche, deutete seinem Adjutanten zum Gehen und verließ den
Saal.
Nielsborg, Derf, Lyranisches Commenwealth
Büro von Colonel Edward Nichols,
Kommandeur der 30. Lyranischen Garde
8. November 3029 gegen Mittag
Oberleutnant Wieder betrat das Büro und sah aus, als wäre er
gerade Vater geworden. Colonel Nichols sah auf: "Wie geht es Lt. Priegnitz?".
"Er ist gestern aus dem Krankenhaus entlassen worden. Die �rzte meinen, daß ihm der
hochgehende Reaktor seiner Whitti keine Strahlenschäden zugefügt hat. Ich bin aber
wegen etwas Anderem hier: Ich habe gerade über HPG die Lieferliste der Perseus bekommen,
die in vier Stunden hier aufsetzt. Erstens befindet sich an Bord Leutnant-Colonel Limburg zu
einer Inspektionstour. Die scheinen uns auf Tharkad wohl doch nach dem Verlust von Winfield
einmal auf die Finger sehen zu wollen. Und zweitens haben sie beim Oberkommando ganz schön
auf den Tisch gehauen. Als Ersatz für Lt. Priegnitz� Whitworth ist ein neuer Marodeur an
Bord. Jetzt kommt aber der Hammer: Lt. Lesemann wird in Zukunft eine nagelneue
umgerüstetet Banshee steuern!"
Colonel Nichols sah hoch.
"Richtig gehört, die 30. Lyranische Garde wird die Einheit sein, die den Prototypen der
umgerüsteten Banshee als erste ins Feld führen wird. Was die Typen vom NAIW so
über die Kampfleistung der Maschine haben durchsickern lassen, soll die Wanne wohl die
Hölle sein."
"Da scheint sich wohl doch auf Tharkad jemand für die Fehlkoordination unserer Truppen
verantwortlich zu fühlen."
Olt. Wieder zuckte die Achseln:
"Warum wir jetzt eine Banshee-S haben, ist mir egal. Soweit ich weiß, sind wir die erste
und einzige Steiner-Einheit, die solch ein Ding zugeteilt bekommen hat. Der Mech läuft
allerdings unter Geheimhaltung: Wir haben die Order, unter allen Umstanden zu verhindern, daß er in feindliche Hände fällt, notfalls durch Zerstörung. Ich muß gleich einmal im Lagerregister nachsehen, ob wir für die KSR-6er noch 54mm-Raketen haben, sonst geht sofort eine Bestellung raus. Schönen Tag noch, Sir!"
Wieder salutierte und verschwand.
Colonel Nichols schmunzelte vor sich hin. Das tat dem Oberkommando ganz gut, selbst für
solch ein Debakel verantwortlich zu sein. In Zukunft würde dem, was die Truppen sagen,
vielleicht wieder etwas mehr Gehör geschenkt werden. Und daß ein Inspekteur sie
eine Weile beobachten würde, ließe sich sehr gut mit dem Angriff auf den
Marik-Planeten �Herbstwind� verbinden. Zwar war das 1. Bataillon dafür vorgesehen, aber
für Lt.-General Limburg konnte eigentlich auch das 2. Bataillon den Angriff
durchführen. Hauptmann Raschke würde sich zwar über den desolaten Zustand seiner
Ausrüstung beschweren, aber es wurde Zeit, daß das Oberkommando sah, daß auch
mit beschädigtem und minderwertigen Material durch exzellente Soldaten eine Schlacht zu
gewinnen war. Schließlich wollte man ja nur ein Vorratslager der Ligisten erobern und
schnell wieder verschwinden. Daß sich gerade jetzt zufällig eine Sprungstaffette
aufgebaut hatte, machte die ganze Sache nur noch reizvoller. Zwei Wochen würde der
Transfer zur Grenze nur dauern, die Ligisten würden nie damit rechnen, daß gerade
die 30. Lyranische Garde im Anflug war.
Nichols stand auf, ging zur Minibar und schenkte sich einen dreifachen Brandy ein. "Na denn
Prost, Jungs!" sagte er in den Raum, nahm einen gewaltigen Schluck und ließ über
KasernKomm 2 Tage Urlaub befehlen.